Lenden-Wirbel-Säule / Kreuz und Becken
Wirbelsäulenbeschwerden sind eines der größten medizinischen Probleme unserer Zeit
- ein Drittel der deutschen Bevölkerung leidet ständig unter Rückenschmerzen
- Rückenbeschwerden sind nach Erkältungen der zweithäufigste Grund für das Fehlen am Arbeitsplatz
- Rückenbeschwerden sind der häufigste Grund für einen Arztbesuch
- 20% aller Krankschreibungen erfolgen wegen "Wirbelsäulenschäden"
- es entstehen hierdurch jährlich mehr als zwölf Millionen Krankheitstage
- Rückenleiden sind der häufigste Grund für stationäre Krankenhausbehandlung
- rund 50.000 Patienten wurden 1991 in Deutschland an der Bandscheibe operiert
- fast 50% aller vorzeitigen Rentenanträge betrifft degenerative Wirbelsäulenerkrankungen
Zwei Drittel aller Rückenbeschwerden haben in der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) ihren Ursprung.
Die Wirbelsäule stellt unsere zentrale Achse dar. Die zwischen den Wirbeln liegenden Bandscheiben bilden elastische Puffer, wodurch die WS erst extrem beweglich wird und Stöße aushalten kann. Wegen unseres aufrechten Gangs ist vor allem der untere Wirbelsäulenabschnitt - die Lendenwirbelsäule - stärksten Anforderungen ausgesetzt. Das gesamte Gewicht unseres Oberkörpers muss auf einer Grundfläche von nur wenigen Quadratzentimetern abgefangen werden. Der auftretende Druck ist allerdings so erheblich, dass schon durch normale tägliche Belastung die Bandscheiben im Laufe des Tages um insgesamt zwei bis drei Zentimeter zusammenschrumpfen! Durch berufs- oder auch sportbedingte zusätzliche Kraft- und Druckeinwirkungen kann die Belastung der Wirbelsäule um ein Vielfaches über dieses normale Maß hinaus gesteigert sein. So setzt ein Aufschlag beim Tennis die unteren Lendenwirbelbandscheiben für Sekundenbruchteile einem Druck von mehreren hundert Kilogramm pro Quadratzentimeter aus. Der aufgerichtete zweibeinige Gang, zivilisationsbedingte, unphysiologische Belastung (zu häufig sitzende Körperposition) und gestiegene Lebenserwartung (zunehmende Alterung auch der Elemente des Stützapparates) führen dazu, dass mittlerweile zwei Drittel aller Männer und gut die Hälfte aller Frauen in Deutschland bei Röntgenuntersuchungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule aufweisen.
Mögliche Ursachen:
- Falsches heben und transportieren von zu schweren Lasten
- Schlechte Haltung
- Ungeeignete Sitze und Betten
- Sport- oder andere Verletzungen
- übergewicht
- Stress
- Schwangerschaft
- Allgemeine Abnutzung
Nachfolgend möchte ich die wichtigsten Probleme im Bereich der LWS und ihre mögliche Behandlung näher beschreiben.
Steifheit mit/ohne Schmerzen (siehe auch HWS)
Zunächst stellen sich allgemeine Steifheitsgefühle ein, die manchmal mit leichten örtlichen Schmerzen einhergehen. Das Bücken beim Anziehen der Strümpfe oder beim Schnüren der Schuhe fällt immer schwerer.
Morgens braucht man ein paar Minuten mehr, um die "Knochen zu sortieren". Derartige Beschwerden stellen die erste Stufe des sog. LWS-Syndroms dar.
Nachfolgend stelle ich die weiteren Steigerungsgrade des LWS - Syndroms vor:
Facettensyndrom
Das Facettensyndrom ist der zweiten Stufe des LWS-Syndroms zuzurechnen. Kleine Wirbelgelenke, auch Facettengelenke genannt, steuern und kontrollieren die Beweglichkeit in der Wirbelsäule. Die Facettengelenke sind sehr empfindlich. Sie können durch mechanische Einwirkung stark gegeneinander gedrückt oder komprimiert werden, so dass die Kapselstruktur verletzt wird. Es kann sich aber auch um eine über einen längeren Zeitraum laufenden Verschleiß bzw. Abnutzung und Vergröberung der Gelenkfläche der kleinen Wirbelgelenke handeln. Wenn Kreuz- und Bein-Schmerzen nicht ausreichend durch eine Bandscheibenveränderung oder -verengung erklärbar sind, ist in über einem Drittel das Facettensyndrom die Ursache. Die Gelenkkapsel enthält eine große Anzahl von Schmerzrezeptoren. Bei starker mechanischer Einwirkung baut sich reflektorisch eine körpereigene Muskelspannung auf, um die empfindlichen Facettengelenke zu schützen. Dieser Abwehrmechanismus kann zu einer Blockierung der Gelenke führen. Ihr Chiropraktor ist darauf spezialisiert, die Blockade schnell und schonend zu beseitigen.
Iliosakral-Gelenk-Syndrom (ISG)
Auch dieses Syndrom gehört zur zweiten Stufe des LWS-Syndroms.
Das Iliosakralgelenk, auch Kreuzdarmbeinfuge genannt, ist ein komplexes Gelenk. Die beiden Iliosakralgelenke sitzen zwischen dem Kreuzbein und jeweils einem Darmbein. Sie haben die Aufgabe, die von den Beinen kommenden Kräfte an die Wirbelsäule weiter zu leiten. Im Gegensatz zur früheren Denkweise ist das Iliosakralgelenk ein bewegliches Gelenk, das ähnlich der Facettengelenke Sitz und Ursache mannigfaltiger Beschwerden ist.
Die Ursachen dieser Beschwerden können sehr vielschichtig sein. Eine Entzündung der Iliosakralgelenke wird Sakroiliitis genannt.
Weit öfter liegt jedoch eine funktionelle oder traumatische Ursache vor. Besonders hervorzuheben, sind Blockierungen durch falsche Bewegungen, einseitiger Belastung oder gar Verletzungen.
Die Hauptursache liegt in unserem sehr einseitigen Bewegungsmuster. So haben die meisten Sportarten ein Sprungbein und ein Standbein. Das heißt im Klartext, dass die durch die Bewegung ausgelöste Kraft sich primär und in ständiger Wiederholung nur auf eine Seite auswirkt. Die Folge kann eine statische Fehlstellung des Beckens, der sog. Beckenschiefstand sein. Ein im Stehen aufgenommenes Röntgenbild des Beckens gibt oft Aufschluss, ob ein Beckenschiefstand vorliegt. Der Chiropraktor führt vor einem endgültigen Befund - und das ist die wichtigste Untersuchung - eine örtliche Abtastung und eine Bewegungsanalyse durch.
Bei der Befragung nach der Krankengeschichte berichten die Patienten häufig über Schmerzen im Gesäßbereich, Tendenz in Richtung Mitte, mit zum Teil erheblicher Schmerzintensität. Schmerzausstrahlungen können in unterschiedlichen Bereichen sein, u.a. in die Oberschenkelrückseite, die Oberschenkelvorderseite, die Hüfte oder den Leistenbereich.
Charakteristisch sind auch Schmerzen in der Nacht und in den frühen Morgenstunden, besonders dann, wenn man sich im Bett von der einen auf die andere Seite dreht. Durch Bewegung, insbesondere nach dem Aufstehen aus dem Bett, kommt es zu einer Besserung.
Das Iliosakralgelenk ist aber auch Ursprung für viele weitere Beschwerden und indirekte Schmerzprobleme, auch Pseudoradikuläre Schmerzen genannt. Ausstrahlungen in den Unterbauch, den Unterleib und die Geschlechtorgane treten ebenso häufig auf wie ischiasähnliche Schmerzen im Bein, die oft bis in die Füße ausstrahlen. Diese Aufzählungen stellen nur einen Teil der vielfältigen Auswirkungen dar, die uns in der täglichen Praxis begegnen.
Becken- bzw. Hüftschmerzen
Auch diese Beschwerden gehören zur zweiten Stufe des LWS-Syndroms.
Diese beiden Schmerzsyndrome möchte ich gemeinsam behandeln, weil sie in der Praxis bzw. vom Patienten schwierig auseinandergehalten werden können. Die Hüfte wird vom Hüftgelenk und einem Teil des Beckens gebildet. Das Becken stellt eine ringförmige Knochenstruktur dar, bestehend aus zwei Darmbeinen (Os Ilii) und dem Kreuzbein (Os Sacrum). Vorne wird es durch das Schambein (Pubis Symfysis) und hinten durch die beiden Iliosakralgelenke zusammengehalten. Wenn man sich diese komplizierte Konstruktion anschaut, kann man sich gut vorstellen, dass eine Verdrehung des Beckens zu Hüftproblemen führen kann. Die Schmerzen sitzen ziemlich genau an der breitesten Stelle des Beckens. Manchmal kommt es zu Ausstrahlungen in die Leistengegend oder die Oberschenkelinnenseite. Eine Bewegungseinschränkung ist die fast unvermeidbare Folge. Angezeigt vor allem dadurch, dass die Beine nicht mehr übereinander gelegt werden können. Gehen und insbesondere Treppenlaufen machen Probleme. Der Chiropraktor wird sich aber nicht nur das Hüftgelenk sondern alle Gelenke der unteren Extremität und selbstverständlich auch das Becken selbst anschauen und behandeln.
Radikuläre Symptome
Schmerzen, Kribbeln oder Taubheitsgefühle in den Beinen oder Füßen (siehe auch HWS)
Diese Symptome gehören zur dritten Stufe des LWS-Syndroms.
Nähere Ausführungen möchte ich zum Hauptthema der radikulären Symptome - den Bandscheibenproblemen - machen:
Wir haben 24 bewegliche Wirbel, die ringartig aufgebaut sind. Sie liegen übereinander, getrennt durch ein sehr elastisches Kissen, die Bandscheibe. Diese besteht aus einem Gallertkern und einen äußeren Ring aus Faserknorpel und kollagenen Fasern. Die Ernährung der Bandscheibe erfolgt durch Diffusion. Eine Durchblutung ist nicht möglich, da der Knorpel ab dem späten Pubertätsstadium gefäßfrei ist. Die Bandscheiben verleihen der Wirbelsäule ihr großes Maß an Beweglichkeit und wirken als elastische Puffer. Die Bandscheiben machen ungefähr 25% der Gesamthöhe der Wirbelsäule, also insgesamt ca.30 cm aus. In der LWS treten aus den Zwischenwirbellöchern Nervenstränge aus, die Becken und Beine versorgen Bei normaler Höhe der Bandscheiben haben die Nerven dort genügend Platz, ohne komprimiert zu werden. Durch mehrfach wiederholte Einwirkungen, wie unter den Kapiteln Steifheit, Facetten Syndrom und ISG Syndrom erwähnt, kann die Bandscheibe verschleißen und am äußeren Ring Risse bekommen. Diese Risse können eine Verlagerung des Gallertkerns bewirken. Die häufigste Verlagerung tritt hinten, leicht seitlich, entweder links oder rechts auf. Durch die Verlagerung verliert die Bandscheibe zunehmend ihre "Kugelgelenkfunktion", was zu einem ständig blockierten Wirbelsegment führen kann. Bei Verschleiß bzw. Verletzung der Bandscheiben können aber auch die Wirbelkörper Schaden nehmen.
So zeigen sich in CT's oder MRT's Randzacken und Abplattungen sowie Ausziehungen der Wirbelkörper, insbesondere in deren Kantenbereichen. Ebenso Querstellungen, Abkippen und Abrutschen ganzer Wirbel.
Das erstaunliche ist, dass wir diesen schleichenden Prozess meistens nicht wahrnehmen.
Die Beschwerden sind oft Sensibilitäts- bzw. Wahrnehmungsstörungen in den Beinen, meist zusätzlich verbunden mit Schmerzen, Kribbeln, Taubheit, bis hin zu Lähmungen. Je nachdem wie stark der Druck auf den Nerv und welcher Nervenstrang betroffen ist, empfindet man die Erscheinungen unterschiedlich weit ins Bein, manchmal bis in den Fuß.
Wenn sich unser äußeres ändert, nehmen wir das wahr. Wir fühlen unseren Herzschlag. Wir merken, dass wir atmen, wenn wir das Knie oder unseren Kopf anstoßen. Aber unsere Rückenprobleme nehmen wir erst dann zur Kenntnis, wenn es wirklich ernsthaft weh tut. Diese Gruppe von Beschwerden gehören zu den fortgeschrittenen Wirbelsäulenverletzungen. Diese sind durch versäumte bzw. nicht rechtzeitige Vorsorge gekennzeichnet. Trotzdem handelt es sich in den meisten Fällen um reversible bzw. reparable Probleme.
Die Bandscheibenprobleme verlaufen in 3 Phasen.
1. Bandscheibenvorwölbung (Diskus Protrusion), verbunden mit dem Vordringen des Nucleus pulposus
2. Bandscheibenvorfall (Diskus Prolaps)
3. Bandscheibenverschleiß (Diskus Degeneration)
In etwa 5% aller Fälle wird der Schaden nicht reparabel sein. Dann ist die Operation die vernünftige und richtige Konsequenz. In diesem Fall verweist der Chiropraktor den Patienten an einen Chirurgen. Jedoch zeigt die Erfahrung, dass in 95% aller Fälle eine Operation vermieden werden kann. Wichtig ist, dass Sie schon bei den ersten Beschwerden einen Chiropraktor aufsuchen!
Wie dargestellt, ist die Bandscheibenvorwölbung und der -vorfall mit dem daraus resultierenden Verschleiß meistens eine Folge vorausgegangener mechanischer Belastungen. Mit der Behandlung wird eine Korrektur angestrebt. Aber selten wird das betroffene Segment direkt behandelt, sondern vielmehr wird das Becken balanciert und die Verlagerungen in der Wirbelsäule behoben. Durch die gezielte Behandlung wird die Nahrungsaufnahme der Bandscheibe stimuliert und die Bänder und Muskeln revitalisiert.
Die moderne Chiropraktik ist über 120 Jahre alt. über diesen langen Zeitraum wurden wertvolle Erfahrungen gesammelt, mit denen eine operationslose, konventionelle Behandlung und Heilung von Wirbelsäulenschäden und speziell von Bandscheibenproblemen möglich ist.